Im ÖPNV Ein Ticket für morgen buchen? Leider nicht möglich
Planung unmöglich – ein Hindernis für Gelegenheitsfahrer und Touristen
Wer regelmäßig mit Bus und Bahn unterwegs ist, weiß: Gute Planung ist alles. Ob Berufspendler, Tourist oder Gelegenheitsfahrer – viele möchten ihr Ticket bequem im Voraus kaufen, etwa am Vorabend und gerne von zu Hause. In deutschen Städten sollte das längst Standard sein.
Die Realität sieht anders aus. Im bundesweiten Verkehrsverbünde-Gewusel hat sich auch ein Ticket-Gewusel eingeführt. Vorausbuchungsmöglichkeiten? Fehlanzeige. Auf den Websiten wird man regelmäßig in Apps weitergeleitet in denen dann eine Voraussbuchung in den meisten Fällen ebenfalls nicht möglich ist. Dieses scheinbare Detail ist in Wahrheit ein großes Manko – für die Nutzer:innen wie auch für den ÖPNV selbst.
Beispiel RMV - Verpasste Chance durch Knock-out für vorausplanende Fahrgäste
Der RMV zählt zu den größten Verkehrsverbünden Deutschlands. 2024 nutzten rund 825 Millionen Fahrgäste den Verbund – ein historischer Höchststand. Täglich sind es etwa 2,5 Millionen Menschen, die mit S-Bahnen, Bussen und Regionalzügen im RMV unterwegs sind. Mit über 600.000 Deutschlandticket-Abos ist die Region eine der stärksten in ganz Deutschland.
Abgesehen davon bleibt der Ticketkauf auf einem überholten Stand: Auf der Website rmv.de und in der App RMVgo können Tickets ausschließlich zum sofortigen Fahrtantritt gelöst werden. Ebenso beim Branchengigant bahn.de und DB Navigator, die beim Ticketverkauf vom jeweiligen Verkehrsverbund, in diesem Fall der RMV, abhängig sind. Wer planen möchte ist im Nachteil, oder nimmt einfach ein anderes, „planbares“ Verkehrsmittel.
Dabei sind alle technischen Möglichkeiten längst da: Die RMVgo-App wurde bereits über 4 Millionen Mal heruntergeladen und der DB Navigator ist die meist genutzte Mobilitäts-App Deutschlands. Websites sind durchgehend verfügbar. Doch ohne Vorausbuchungsfunktion wird ihr Potenzial nur zum Teil ausgeschöpft. Vor allem bei nur gelegentlich fahrenden Personen oder möglichen ÖPNV-Neueinsteigern. Ebenso ältere Personen buchen lieber in Ruhe zuhause als hektisch am Fahrkartenautomat fünf Minuten vor Abfahrt.
Keine Vorausbuchung in RMVgo App
Einzelfahrkarten können nicht im Voraus gebucht werden. Lediglich die Buchung zum direkten Fahrtantritt ist möglich.
Im Vergleich: Bundesweit Nachholbedarf, einzelne Verbünde sind weiter
Ein Blick auf andere Verkehrsregionen zeigt. Das Thema besteht in weiteren Verbünden. Im VBB in Berlin oder im MVV in München ist man ebenfalls erst am Anfang. Aber es gibt auch Lichtblicke. Beispielsweise der HVV in Hamburg hat bereits eine zweiwöchige Möglichkeit zur Vorbuchung eingeführt. Ebenso im Fernverkehr, bei der DB Fernverkehr AG oder im Flixtrain ist die Vorausbuchung nicht nur selbstverständlich sondern geschäftstragend. Mann stellt sich die Frage „Warum gibt es einen Fahrplan, wenn ich ihn nicht buchen kann?“
Verbünde wie der RMV fordern regelmäßig mehr staatliches Geld für die Verkehre in ihren Verbünden. Und ja viele sind auch bei einigen innovativen Themen immer mit vorne dabei. Ob On-Demand-Shuttles, Wasserstoff-Züge oder wieder neue App-Oberflächen. Aber was ist mit den Basics? Sind Tarifvereinfachungen, die Grundlage des Ticketverkaufs, nicht sexy genug? Es scheint jedenfalls, als das sich die Branche zum Teil vor einer Weiterentwicklung des staatlichen Kernauftrags drückt und anstelle dessen lieber neue, interessante aber nicht etablierte Produkteinführungen forciert. Dadurch verliert sich nicht nur der Management-Fokus sondern es wird auch viel Geld in Produkteinführungen gesteckt bei denen der Mehrwert möglicherweise vorhanden, aber letztendlich noch nicht absehbar ist.
Eins steht aber fest. Die fehlende Möglichkeit, ein Ticket wenige Tage im voraus buchen zu können, wirkt wie ein Relikt aus der Vergangenheit und lässt den ÖPNV sehr bürokratisch, sehr verstaubt aussehen.
Die Konsequenzen sind mangelnde Attraktivität und Einnahmeausfälle
Die Folgen dieser Lücke sind gravierend: Unflexibilität für Reisende, besonders für den Tourismus oder nur wenig fahrende Personen. Verpasste Einnahmen - Wer nicht spontan bucht, bucht gar nicht oder einfach nicht wieder. Von attraktiven Flexibilisierungen oder individuellen Rabattaktionen des Vertriebs ganz abgesehen.
Es ist Zeit im Sinne der Kunden zu handeln. Die ÖPNV Branche fordert regelmäßig viel ein und hat an einigen Punkten auch bereits große Schritte gemacht. Doch bei einem so zentralen Thema wie dem Einzelfahrscheinkauf im Voraus bleibt er weit hinter den Erwartungen zurück. Denn wer Menschen für Bus und Bahn gewinnen will muss ihnen Planungssicherheit ermöglichen.
Was es jetzt braucht, ist kein revolutionärer Umbau, sondern ein naheliegender, logischer Schritt: Die Einführung der Vorausbuchung von Tickets per App und online – für alle Fahrkartenarten. Der HVV hat es bereits vorgemacht.