Mehr Geld wird die Bahn nicht pünktlicher machen

Schieneninfrastruktur - bitte ausmisten und sortieren

Die deutsche Schieneninfrastruktur. In Presse und Politik hoch und runter diskutiert, verschoben, aufgeschoben und mehrfach verplant und ausgerichtet. Umfangreiche Verbesserungen sind notwendig. Aber einfach immer nur mehr Geld in ein Feuer zu werfen hat keinen langfristigen Effekt. In der Regel verbrennt es einfach nur noch schneller.

Heilung durch mehr Pragmatismus mit dem Bestand

Die Realisation, dass Infrastruktur nicht per Zauberhand, sondern durch konstantes und langfristiges Handeln erreicht wird, scheint in der Politik angekommen sein. Die Notwendigkeit nach durchdachtem Design auf Basis bestehender Infrastruktur und einer effizienten und langfristigen Instandhaltung noch nicht. Was ist dafür notwendig? Abgesehen von den notwendigen internen strukturellen Reformen im deutschen Schienenverkehr, einer klaren Abtrennung der Infrastruktur vom Betrieb, sind es vor allem weniger Hau-Ruck Aktionen und mehr planerische Verlässlichkeit und gesunder Pragmatismus mit der bestehenden Infrastruktur.

Einfache Lösungen sind da - auch für ein normales Budget

Lösungen sind da. Und sie sind erstaunlich einfach. Oftmals ließe sich mit einer Weiterentwicklung bestehender Strecken viel erreichen. Technische Weiterentwicklungen bieten hierbei einiges an Potenzial. Die Ausstattung der stärksten befahrenen Strecken mit ECTS ist bis heute nicht geschehen und gewissermaßen die Basis. Aber auch sind Streckenbegradigungen durch Tunnel und Brücken oder eine kluge Verknüpfung vorhandener Korridore sinnvoll. Dritte Gleise und ein einfaches Aufräumen der Schienenwege bieten Mehrwert. Jeder kennt die überwachsenden und ungenutzten Schienenwege und rumliegenden Schienenwegs-Elemente. Eine aufgeräumte Lager- & Arbeitsfläche sieht anders aus. Vielleicht ist es daher sinnvoll erst den Bestand auf Vordermann zu bringen, das Bedarfspotenzial zu verstehen und dadurch Stabilität im Netz zu erreichen.

Strecken intelligent ausbauen am Beispiel Rhein-Main/Rhein-Neckar

Deutlich wird das Thema am Beispiel der Bahnstrecken zwischen den Metropolregionen Rhein-Main und Rhein-Neckar. Hier bestehen aktuell drei signifikante Streckenkorridore, eine westlich des Rheins von Mainz über Worms nach Mannheim, eine direkte Verbindung zwischen Frankfurt und Mannheim (Riedbahn) und die östlichste Verbindungen von Frankfurt über Darmstadt nach Heidelberg. Die Hauptachse des Fernverkehrs zwischen Mannheim und Frankfurt Strecke wurde gerade während einer mehrmonatigen Sperrung generalsaniert. Kostenpunkt: > 1,5 Mrd.€.

Parallel dazu wird nun der Neubau einer weiteren Verbindung geplant, verworfen und wieder verplant. Damit entstünde eine zusätzliche, vierte Hauptachse zwischen Rhein-Main und Rhein-Neckar – trotz der drei bereits bestehenden Schienenkorridore. Ein solcher Neubau erzeugt nicht nur kurzfristig Milliardenkosten, sondern auch langfristig einen erheblich höheren Instandhaltungsaufwand. Abgesehen von den Effekten auf Umwelt und einzelne Kommunen.

Schaut man sich alternativ die bestehenden Streckenabschnitte an, dann fallen einem direkt einige mögliche Verbesserungen im Bestand auf, die für mehr Kapazität, Geschwindigkeit und zu effizienteren Güter- wie Passagierströmen führen könnten. Angefangen mit dem Knotenpunkt und den Bahnanlagen im Darmstädter Norden. Diese sind aktuell überdimensioniert und stammen von der Streckenführung aus dem letzten Jahrhundert. Bemerkbar macht sich das durch eine kurvenreiche und dadurch verlangsamte Einfahrt für Nah- und Fernverkehr. Verbesserungen durch Streckenbündelung möglich.

Ein weiteres Beispiel ist die aktuelle Nicht-Verknüpfung der bestehenden Korridore. Eine Anpassung durch die die Züge zwischen den Korridoren einfacher wechseln können, würde nicht nur das bestehende Angebot verbessern, sondern auch ein sinnvolles Backup bei einzelnen Streckensperrungen von Teilkorridoren bilden und das System stabilisieren. Hierfür bieten sich der Knoten Groß-Gerau, als auch eine Verbindung Pfungstadt-Biebsheim oder Bensheim-Bürstadt an.

Streckenkilometer reduzieren am Beispiel der Mittelgebirge

Die Reduzierung der Streckenkilometer hört sich erst einmal nach einer Reduktion und einer Verschlechterung des Gesamtangebots an. So ist das jedoch nicht gemeint.

Deutschlandweit, wie auch auf der Verbindung Frankfurt-Berlin über Erfurt gibt es viele Strecken, welche noch in der Ursprungsform aus dem letzten Jahrhundert stammen. Hier schlängelt sich die Bahnstrecke über weite Abschnitte durch Mittelgebirge. Beispielsweise im Raum Eisenach. Dieser kurvenreiche und daher durch viele Streckenkilometer charakterisierte Abschnitt führt dazu, dass die Reisezeit zwischen Frankfurt/Paris/Basel-Berlin, nicht kürzer ist und das ebenfalls viele Streckenkilometer in ordnungsgemäßen Zustand gehalten werden müssen.

Auf dieser alten Bestandsstrecke einzelne Teile begradigen, Abschnitte mit Brücken und Tunneln geradlinig durchs Land führen und somit in eine zeitgemäße Hochgeschwindigkeits- und Hochkapazitätsstrecke umzuwandeln, ist eine einfache Möglichkeit zum Fortschritt. Wichtig dabei - die bestehende Infrastruktur bildet die Grundlage für die Weiterentwicklung der Strecke. Streckenkilometer werden durch Begradigung reduziert ohne Städte von der Infrastruktur abzuhängen. Jeder aufgeräumte Kilometer und jede Minute Reisezeit zählt.

Mit weniger Chaos und mehr Ordnung im Bestand Steuergeld sinnvoll ausgegeben

Das deutsche Schienennetz hat einen unschätzbaren Vorteil: seinen Bestand. Millionen Menschen nutzen ihn täglich, und er bildet das Rückgrat des Güter- wie Personenverkehrs. Statt diesen Vorteil durch politische Neubauten in eine unübersichtliche Komplexität zu führen und diesen Vorteil zu verspielen, liegt ein Potenzial daran das Netz aufzuräumen und bestehende Strecken schrittweise und konsequent ins 21. Jahrhundert zu überführen, die Betriebsstabilität zu erhöhen und die Instandhaltung planbarer machen. Ein solcher Ansatz verbindet ökonomische Vernunft mit verkehrspolitischer Weitsicht – und wäre ein echter Schritt hin zu einer nachhaltigen Verkehrswende.

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Kommentar: Die Konsequenz der (In)-Konsequenz

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Trennung von Infrastruktur und Betrieb im Schienenverkehr – für mehr Transparenz und Pünktlichkeit